Fachlich – sachliche Erörterung

Definition des Wortes Freispiel

Das Freispiel lässt sich für die meisten Kindergärten als "Spielen lassen unter Aufsicht" beschreiben. Dies trifft für das Spielen im Gelände oder auf dem Kindergarten-Spielplatz noch mehr zu, als für das Spielen im Gruppenraum. Dort erhalten die Kinder in der Regel mehr Anregung und Hilfen zum Gelingen ihres Spielens.

Unter Freispiel versteht man – und dies gilt für den Außenbereich ebenso wie für den Gruppenraum -, dass es ein komplexes Geschehen während einer bestimmten Zeitdauer ist, das sich jedes Mal neu aus dem spontanen Tätigwerden der Kinder und der zurückhaltenden Aktivität der Erzieher entwickelt.

Dem Freispiel kommt die Qualität des freien und spontanen Spielens zu, eingebettet in unterstützende pädagogische und institutionelle Bedingungen, sofern sie bestimmten Anforderungen genügen.

Formen des Spiels

Bei der Unterscheidung der verschiedenen Spielformen wird grob in vier Grundformen unterschieden.

*Funktionsspiele (auch Übungsspiele): Kinder beginnen bereits als Säuglinge damit zu spielen, sie beginnen mit einfachen Bewegungen ihre Fähigkeiten und deren Funktionen zu erforschen. Ab dem 6. Lebensmonat spielt der Säugling gezielt mit Gegenständen, die zunehmenden Körperfunktionen (krabbeln, robben, rutschen…) werden weiterhin erprobt und erkundet. Funktions- beziehungsweise Übungsspiele findet man bis ins Erwachsenenalter.
*Konstruktionsspiele: Mit ungefähr zwei Jahren ist ein Kind in der Lage, Konstruktionen, zum Beispiel beim Bauen mit Bauklötzen, nach seinen Vorstellungen zu beeinflussen. Konstruktionsspiele sind auf das fertige Produkt hin ausgerichtet, die Kinder beziehen ihre Umwelt aktiv mit ein, sie stellen ihren Bezugspersonen Fragen und verlangen nach entsprechenden Antworten.
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Symbol- und Rollenspiele: Das Symbolspiel ist ein reines Nachahmungsspiel, bei dem das Kind Tätigkeiten nachahmt, ohne in die entsprechende Rolle zu schlüpfen. Während man Symbolspiele schon ab dem 2. Lebensjahr beobachten kann, finden regelrechte Rollenspiele erst ab dem 3. Lebensjahr statt. Im Rollenspiel schlüpft das Kind in Rollen anderer Menschen, Eltern, Erzieher, etc. und ahmt deren Verhaltensweisen nach. Dadurch haben sie die Möglichkeit, nach Lösungen für Konflikte zu suchen und diese zu bewältigen, was das Rollenspiel interessant für die therapeutische Arbeit, aber auch für die Schule und Erwachsenenbildung macht.

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Regelspiele: Da Regelspiele die Gruppenfähigkeit und das Verständnis der manchmal recht komplizierten Spielregeln voraussetzen, kann man von richtigem Regelspiel erst ab dem 5. Lebensjahr sprechen. Vorher werden die Regeln zwar umgesetzt und auch eingehalten, aber nicht verstanden. Mit circa 10 Jahren sind Regelspiele am beliebtesten bei Kindern, man findet sie aber bis ins hohe Alter. Für jüngere Kinder steht meist nicht das Gewinnen, sondern das Teilnehmen an erster Stelle. Regelspiele beinhalten oft Teile anderer Spielformen (Rollenspiel, Konstruktionsspiel oder Funktionsspiel).

Bedeutung des Spiels in der Kindlichen Entwicklung

Das Spielen fördert die kindliche Entwicklung so ganzheitlich, wie kaum etwas anderes. Besonders die Selbständigkeit der Kinder wird gefördert und gefordert. Die Kinder müssen entscheiden, wo, mit wem und was sie spielen wollen, sie bestimmen, wie lange und wie intensiv dieses Spiel wird. In ihrer fiktiven Spielwelt erleben sie sich als autonom, sie bestimmen, es gibt keinen Erwachsenen, der Regeln aufstellt und sanktioniert. Sie müssen sich mit ihren Spielpartnern auseinander setzen, sich durchsetzen oder nachgeben. Alleine die Entscheidung, gebe ich meinen Vorteil zu Gunsten anderer auf oder setze ich meinen Kopf durch, fordert die Kinder heraus. Sie müssen bedenken, welche Konsequenzen sich daraus ergeben und gegebenenfalls eine Niederlage einstecken. Nicht selten führen solche Fragen zu Konflikten mit dem anderen Spielpartner, die dann ausgetragen und verarbeitet werden müssen. Dadurch machen sie Erfahrungen im emotionalen Bereich, wie Freude über den Gewinn, Trauer über die Niederlage oder einfach Wut und Enttäuschung. Sie müssen lernen, alle diese Emotionen zu verarbeiten und auf sie zu reagieren, dabei müssen sie darauf achten, gültige Regeln (nicht hauen, treten, schlagen…) nicht zu verletzen, sondern Wut und Enttäuschung anderweitig zu verarbeiten.

Im gemeinsamen Spiel treten die Kinder miteinander in Kontakt, sie kommunizieren untereinander, was wiederum zur Förderung und oft auch zum Erwerb der deutschen Sprache führt. Das gemeinsame Spielen erleichtert es, neue Kontakte zu knüpfen, Kinder kennen zu lernen und sich einen neuen Freundeskreis aufzubauen. Für die Kinder steht dabei an erster Stelle, dass das Spielen Spaß macht. Sie haben Freude dabei, sich auszuprobieren, neue Spiele kennen zu lernen und in ihrer eigenen Spielwelt zu versinken. Bei kaum einer anderen Gelegenheit macht ihnen das Lernen soviel Spaß wie beim Spielen.

Ein weiterer großer Bereich der angesprochen wird ist die Motorik. Beim Bauen, Basteln, Malen, Kneten, Schneiden, ja eigentlich bei allen Spielen wird die Motorik gefordert und gefördert. Die Kinder lernen auf spielerische Weise Bauklötze aufeinander zu legen, was nicht nur die Feinmotorik, sondern auch die Konzentration und je nach Höhe des Turmes auch den Gleichgewichtssinn anspricht, oftmals sieht es mehr als abenteuerlich aus, wie Kinder sich verrenken um unbedingt noch einen wichtigen, letzten Stein auf einen Turm zu legen, der größer ist als sie selbst.

Durch ständiges Wiederholen prägen sich Handgriffe besser ein und Dinge die vor einem halben Jahr noch nicht geklappt haben, stellen auf einmal kein Problem mehr da, hierbei lernen die Kleinen oft von den Großen. Ihr Wissen, das sie selbst am Anfang ihrer Kindergartenzeit von Älteren oder den Erziehern erlangt haben, können sie nun ganz konkret einsetzen. Sie geben Hilfestellungen, zeigen und erklären, das gibt ihnen das Gefühl, etwas zu können, sie werden nicht nur als „die Großen“ bezeichnet, sondern können dies auch endlich einmal beweisen. Für die Jüngeren stellen solche neuen Situationen Herausforderungen dar, auf die sie sich einlassen müssen, die es zu bewältigen gilt.

Da das Lernen beim Spielen eher „unsichtbar“ geschieht, es also für einen Außenstehenden nicht unmittelbar erkennbar ist, fällt es vielen Eltern schwer, das Freispiel als Phase des Lernens anzuerkennen, oft genug fällt der Satz: „Die Spielen ja nur!“, im Zusammenhang mit der Freispielphase. Viele Eltern unterschätzen den Wert des Spielens oder wissen gar nicht um ihn. Hier ist es Aufgabe der ErzieherInnen die Eltern aufzuklären und zu vermitteln wie wichtig das Spielen in der kindlichen Entwicklung ist. Nicht nur im Kindergarten, sondern auch zu Hause.

Aufgaben des Erziehers / der Erzieherin

Da sich in den letzten Jahren das Spielverhalten und auch die Spielwelt der Kinder stark verändert haben, ist es heutzutage wichtiger denn je, schon im Kindergarten Vorraussetzungen für das selbständige Spielen zu schaffen. Viele Kinder müssen das Spielen erst lernen, sie sind nicht mehr gewohnt selbständig und selbst bestimmt etwas zu schaffen oder zu spielen. Oft werden sie schon im Kleinkindalter vor dem Fernseher abgesetzt, was für die Eltern natürlich einfacher ist, als sich mit ihnen zu beschäftigen, ihnen immer wieder neue Angebote zu machen. Auch fehlen geeignete Spielstätten, vor allem in Großstädten scheint draußen für Kinder kein Platz mehr zu sein, einzelne Spielplätze werden lieblos in eine Asphaltwüste gesetzt ohne konkret auf die Bedürfnisse der Kinder einzugehen.

ErzieherInnen müssen sich also vermehrt auf Kinder einstellen, die zwar gerne spielen möchten, aber keine Ahnung haben, wie sie es anfangen sollen. Als erstes steht also die Aufgabe den Spielbereich so interessant zu gestalten, dass die Kinder einen Anreiz zum Spielen bekommen. Dies beinhaltet eine Einteilung in verschiedenen Spielbereich (Puppenecke, Bauecke, Mal- und Basteltisch) genauso wie altersentsprechende Spielmaterialien. Um einigen Kindern den Einstieg in die Spielphase zu erleichtern, kann man den Kindern gezielt einige Angebote zeigen, ihnen erklären, was für Möglichkeiten sie haben und gegebenenfalls kurz mitspielen. Jedoch sollte man sich nach einiger Zeit aus dem Spiel zurückziehen um aus dem Freispiel kein angeleitetes Spiel zu machen. Als Spielpartner, der den Kindern zur Verfügung steht und eingesetzt werden kann, sollte man sich, wenn möglich bereithalten. In der Freispielphase ist man als Erzieher allerdings nur als Spielpartner der Kinder da, die Kinder geben Art, Tempo und Dauer des Spiels an, sie bestimmen Verlauf und Ende. Wenn möglich sollen die Kinder selbst auf die Regeleinhaltung achten, wobei man bei Jüngeren Hilfestellungen geben darf, um sie an die Regeln und deren Einhaltung zu gewöhnen. Auch um neue Spiele einzuführen und somit den Spielhorizont der Kinder zu erweitern ist, es hilfreich mitzuspielen. Die Kinder müssen an neue Regeln und Situationen gewöhnt werden, was ein Mitspielen nötig macht. Gibt es allerdings Kinder in der Gruppe die mit diesem Spiel schon vertraut sind, kann man diese Aufgabe auch an sie abgeben, sollte sich aber für Fragen und Probleme zur Verfügung stellen.

Die Freispielphase bietet außerdem eine gute Möglichkeit, die ganze Gruppe oder auch einzelne Kinder gezielt zu beobachten. Man erkennt Gruppenstrukturen, Außenseiter kristallisieren sich eher heraus, als im angeleiteten Spiel. Interessen der Kinder zeigen sich, diese kann man aufgreifen, um als Thema mit der Gesamtgruppe zu behandeln. Das Sozial- und Rollenverhalten der Kinder wird sichtbar, genau wie Stärken und Schwächen. Diese kann man im Spiel aufgreifen, kann den Kindern einzelne Aufgaben übertragen, um damit ihr Selbstvertrauen stärken, um ihnen den Mut zu geben auch Dinge zu tun, die sie vielleicht nicht so gut oder noch gar nicht können. Dinge die man kann bieten einem immer Sicherheit, trotzdem darf man sich, auch als Erwachsener, nicht auf sie versteifen. neue Dinge müssen gelernt werden, hier ist es Aufgabe der Erzieherin/des Erziehers dem Kind Hilfestellung zu geben, es zu ermutigen und zu loben.

An all diesen Punkten lässt sich erkennen, dass die Freispielphase keineswegs als Kaffeepause oder Ausruhen von der Arbeit genutzt werden kann. Für ErzieherInnen ist das Freispiel genauso Arbeit, wie das von ihnen angeleitete Spiel. Sie haben die Aufsicht und selbst wenn sie nicht mitspielen, müssen sie alle Kinder im Blick haben um Eskalationen frühzeitig zu vermeiden und größere Streitigkeiten zu schlichten.

Stellenwert des Freispiels im Kindergarten

Wie schon im letzten Punkt beschrieben hat sich die Spielwelt der Kinder in den letzten Jahren drastisch verändert. Aber nicht nur die Plätze zum Spielen sind weniger geworden, auch potenzielle Spielpartner gibt es immer weniger. Immer mehr Kinder wachsen als Einzelkinder auf, sie haben also zu Hause keine Möglichkeit mit jemand anderem als ihren Eltern zu spielen, aber diese haben auch nur selten Zeit und Lust. Richtige Spielpartnerschaften vor dem Eintritt in den Kindergarten gibt es kaum und so sind vor allem schüchterne Kinder in den ersten Tagen im Kindergarten mit den Massen an fremden Kindern oft überfordert. Hier bietet ihnen das Freispiel eine gute Möglichkeit, sich langsam an das Spielen mit vielen heranzutasten. Sie können die erste Zeit alleine spielen und haben dabei die Möglichkeit die anderen Kinder zu beobachten. Meist dauert es nicht lange, bis sie von anderen angesprochen werden mitzuspielen oder sie selber die Initiative ergreifen und auf andere zugehen. Aus diesen Gründen nimmt auch in der ersten Zeit des Kindergartenjahres das Freispiel eine dominante Rolle im Tagesablauf ein. Im gemeinsamen Spiel haben die Kinder die Möglichkeit sich kennen zu lernen, sich zu beschnuppern und erste Spielgruppen zu bilden. Im Laufe des Jahres ändern sich diese Spielgruppen immer wieder. Neue Kinder kommen zu einer Gruppe dazu, andere gehen, richtig feste Freundschaften findet man meist erst im Vor- und Grundschulalter.

Alle diese Punkte sprechen dafür, dem Spielen einen großen Raum im Kindergartentag zur Verfügung zu stellen, was glücklicherweise in den meisten Kindergärten getan wird.

Literaturverzeichnis

*1) http://www.evangelische-fachschulen.de/stuttgart/home/efsp/13.htm
*2) www.ghaeufele.de/Texte/Spielentwicklung/Details/details.html
*3) www.kindergarten-homepage.de/freispiel
*4) Helga Müller/ Pamela Oberhuemer „Kinder wollen spielen“, Herder Verlag
*5) http://www.mainburg.de/html/kigamainb/kiga.html
Referat verfasst von Julia Jackstadt im Dezember 2004