1.Was ist Neurodermitis?

Neurodermitis ist eine angeborene, überstarke Reaktion der Haut auf unterschiedliche äußere und innere Reize. Äußere Reize können vielfältig sein. Einige Beispiele für äußere Reize: Pollen, Waschmittel, Wolle, Staub, Tierhaare und Nahrungsmittel. Beispiele für innere Reize: Psychischer Druck, Stress, Trauer etc.

Für das Kind ergibt sich durch je nach Ausprägung der Krankheit eine unterschiedlich starke Beeinträchtigung der Lebensqualität.

Neurodermitis ist NICHT ansteckend.

Die Krankheit ist nicht heilbar, schwer behandelbar und verläuft in Schüben. Krankheitsfreie Intervalle von mehreren Jahren sind möglich. Die Krankheit beginnt meist noch vor dem ersten Lebensjahr.

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mehr als drei Millionen Menschen in Deutschland leiden unter einer mehr- oder weniger stark ausgeprägten Neurodermitis

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in den 60iger Jahren litten nur ca. 3% aller Kinder unter der Krankheit, heute sind es 15-20%

3. Krankheitsursache:

a)      Erbliche Störung der Hautfunktion als körperliche Grundlage

b)      Allergieähnliche Überempfindlichkeitsreaktion gegen unterschiedliche Störfaktoren, die jeweils einen Schub bewirken können: äußere Reize (Pollen Hausstaubmilben, Waschmittel etc.); innere Reize (Stress, Trauer) etc.

Das Risiko, an Neurodermitis zu erkranken steigt, je mehr Allergien in den Familien eines Kindes vorkommen:

  5 – 15 %  aller Menschen haben ein generelles Risiko, an Neurodermitis zu erkranken

25 – 30 %  Risiko, wenn ein Geschwisterkind atopisch ist

30 – 40 %  Risiko, wenn ein Elternteil atopisch ist

40 – 60 %  Risiko, wenn beide Elternteile atopisch sind

Atopisch bedeutet die Veranlagung zu Überempfindlichkeitsreaktionen der Haut zu haben

a)      Die Hautfunktion durch verminderte Fett und Schweißproduktion; die Haut ist dadurch trockener und anfälliger

b)      Das Abwehrsystem des Körpers im Sinne einer untypischen Allergie gegen unterschiedlichste Materialien und Lebensmittel, da häufig schon beim Erstkontakt mit einem Stoff eine überstarke Reaktion auftritt

c)      Die Fähigkeit zur Konfliktverarbeitung; man spricht auch von einer psychosomatischen Störung, wobei bei der Neurodermitis die körperliche Störung die Grundlage bildet. Da sich beide Faktoren ständig beeinflussen, ist später Ursache und Wirkung nicht mehr trennbar: Psychische Spannung kann einen Ekzemausbruch verursachen, das starke Jucken wiederum fördert die allgemeine Reizbarkeit.

5. Krankheitsbild und Verlauf:

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Leichter Verlauf: Vereinzelte, trockene Haustellen

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Schwerer Verlauf: Über den ganzen Körper verteilte juckende, rote, nässende, teils entzündete Hautstellen, später Schuppen und Hornhaut

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„Bevorzugte“ Körperteile: Handgelenke, Ellenbeuge, Kniekehle, hinter den Ohren, am Hals flächenhaft

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Durch Kratzen teilweise entzündete Hautstellen

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Bei 60% der an Neurodermitis erkrankten Menschen beginnt die Krankheit bereits im ersten Lebensjahr, bis zum fünften Lebensjahr kommen 30 % hinzu

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Etwa die Hälfte der Kinder mit Neurodermitis entwickelt im späteren Lebensalter ein allergisches Asthma

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Krankheitsfreie Intervalle von mehreren Jahren sind möglich

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Der Hautzustand von betroffenen Säuglingen verbessert sich häufig bis zur Einschulung (bei 80% der erkrankten Kinder), das Risiko für Rückfälle vor allem im Jugendalter bleibt jedoch hoch

6. Was kommt als Auslöser eines Schubs oder einer Verschlimmerung in Frage?

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Infektionen durch Bakterien und Pilze

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Hausstaubmilben

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Tierhaltung, aber auch Produkte tierischen Ursprungs (Tierfelle, Rosshaarmatratzen, Lammfelle, Federbetten)

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Pollen und verschiedene Zimmerpflanzen

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Klima/Wetter (Heizungsluft)

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Teppiche, Vorhänge, Plüschtiere (Imprägnierung, Staubfänger)

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Nahrungsmittel und deren Bestandteile

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Kleidung (Synthetik oder Wolle)

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Aggressive Seifen, Cremes, Waschmittel, Parfüm

Herauszufinden, ob ein oder mehrere Faktoren eine Rolle im Krankheitsgeschehen spielen, ist ähnlich dem „Detektiv – Spielen“!

7. Wissenswertes zum Thema “Juckreiz“

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Juckreiz ist ein begleitendes Merkmal (Symptom) zahlreicher Hautkrankheiten, somit auch der Neurodermitis

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Er ist häufig das quälendste Symptom einer Hauterkrankung überhaupt

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Die Entstehung von Juckreiz ist unbekannt. Die Haut besitzt Wahrnehmungsstellen für unterschiedliche Empfindungen wie Schmerz, Kälte, Wärme und so weiter (sogenannte Rezeptoren). Im Gegensatz zu den Rezeptoren für diese Einflüsse kennt man jene für den Juckreiz nicht. Eine mögliche Erklärung: Schmerz- und Juckreiz werden über die selben Rezeptoren wahrgenommen, seine also zwei „Spielarten“ ein und der selben Sinneswahrnehmung

Der Teufelskreis ist zu unterbinden! Denn: Kratzen lindert nur kurzfristig den Juckreiz, führt jedoch zu einer Hautreizung. Die, gereizten, wunden Hautstellen sind empfänglich für Infektionen, die wiederum das Krankheitsgeschehen ebenfalls negativ beeinflussen. Stress, eventuell ausgelöst durch schlechtes Gewissen, weil man gekratzt hat, kann den Teufelskreis noch verstärken!

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Der quälende Juckreiz kann sehr ablenkend auf die Kinder wirken, sie unruhig und weinerlich machen

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Der Zwang zum Kratzen ist unwiderstehlich und zeitweise unkontrollierbar. Schimpfen erhöht den psychischen Druck und steigert somit das Risiko einer Verschlechterung des Zustandes

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Bisweilen entstehen schmerzhafte Hautrisse und Entzündungen

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Ekzemkinder schlafen häufig schlecht

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Beim Aufblühen des Ekzems kann sich die Haut wie verbrannt anfühlen, sie ist stark berührungsempfindlich. Der Patient fühlt sich dann schwer krank

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Wärme und Schmutz schaden der Haut ganz besonders

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Ablehnung der Menschen im Umfeld: „Ist das ansteckend???“

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Scham, Ekel vor sich selbst (besonders Pubertierende!)

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Mit der Diagnose: „Unheilbar“ leben müssen

9.  Krankheitswahrnehmung eines Kindes:

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Die Umwelt steckt voller versteckter und feindseliger Faktoren (viele Auslöser eines Schubs) = Kind entwickelt wenig Vertrauen in die Umwelt und sich selbst

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In Kiga und Schule zeigen die Kinder oft soziale Distanz und verzögertes Explorationsverhalten

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Pendeln zwischen Wut und Wunsch nach Zuwendung

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Verstärkte Abhängigkeit von der helfenden, gleichzeitig einschränkenden Mutter kann die Selbständigkeitsentwicklung verspäten

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Eltern fühlen sich oft hilflos und erschöpft, wütend, schuldvoll oder überbesorgt. All dies spürt das Kind!

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Bei Überbesorgung der Eltern versucht das Kind im Krankheitsfreien/armen Intervall, die Zuneigung, die es gewohnt ist, zu erzwingen: es kann dazu kommen, dass es extra einen Schub provoziert (z.B. durch einen Diätfehler)

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Psychotherapeutische Unterstützung ist aus diesen Gründen in fast allen Fällen notwendig

10. Therapiemöglichkeiten

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Individuelle Suche nach auslösenden Faktoren

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Vermeidung auslösender Faktoren

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Hautpflege mit speziell ausgewählten, individuell passenden Pflegeprodukten

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Milderung des Juckreizes (Cortison, Antihistaminika)

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Steigerung der allgemeinen Abwehrkräfte (Atemtechniken, Wechselduschen, Klimakuren an der See…)

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Herausfinden von psychischen Spannungszuständen und Hilfe bei deren Bewältigung, wenn nötig durch Psychotherapie

11. Pädagogische Aufgaben

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Betroffenes Kind soll so selbstverständlich wie möglich in alle Gruppenaktivitäten miteingeschlossen werden

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Die Kinder leiden sehr darunter, dass man sich vor ihrer Haut ekelt, daher muss der Pädagoge Informationen über die Krankheit vermitteln und transparent machen, immer wiederholen!

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Wenn das Kind sich akzeptiert und integriert fühlt, braucht es seine sonstigen Besonderheiten, z.B. eine spezielle Diät einzuhalten – nicht zu verheimlichen, und Diätfehler (um nicht aufzufallen) können vermieden werden

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Eltern- sowie das Kind selbst sind die Experten auf diesem Gebiet: Daher: Elternarbeit äußerst wichtig nehmen, Informationen sammeln!

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Frühe Selbstständigkeit fördern, Übernahme von Eigenverantwortung für den Körper

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Nicht allzu sehr „mitjammern“ Ergebnisorientierte Gespräche statt Mitleid

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Darüber sprechen

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Mitdenken: Die pädagogische Fachkraft sollte über die Krankheit, seine Folgen und die aktuelle Situation des Kindes jederzeit unterrichtet sein. Während sie in einem schlimmen Schub ihre Beobachtungsgabe besonders einsetzen sollte, um den Kreislauf zwischen Kratzen und Entzündungen zu verhindern, kann sie in krankheitsfreien Intervallen mit dem Kind umgehen wie mit anderen Kindern auch. Überbehütung kann so vermieden werden. Zum Mitdenken gehört hier unbedingt eine enge Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und ErzieherInnen, denn die pädagogische Fachkraft sollte die von Zuhause gelernten Rituale und Ablenkungsmanöver des Kindes übernehmen, und es mit den Eltern besprechen, sollte sie eine bessere Alternative zum Ablenken vom quälenden Juckreiz gefunden haben. Auch Diätvorschriften sind einzuhalten, ebenso verschiedene Regeln, z.B., dass das Kind seine eigene Seife benutzen muss.

Umgang mit dem Juckreiz:

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Abreagieren durch körperliche Aktivität (Rituale einführen!)

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Alternativen zum Kratzen einüben (drücken, streicheln, kneifen)

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Auf kurze und saubere Fingernägel achten

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Entspannungsübungen, Meditationen..

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Abendliche Rituale (Heimkinder)

verfasst von Geli Fries