Eine Buschmannsaga

Als vor Urzeiten die Sonne noch auf der Erde lebte, wohnte sie im Süden Afrikas. So erzählen es die Buschmänner in einer ihrer alten Sagen. Die Zikaden waren die Kinder der Sonne. Sie wohnten bei ihr und machten Musik. Wenn aber Menschen in die Nähe kamen, brannte ihnen die Hitze die Augen aus. Bis eines Tages Heiseb kam, das größte und älteste Wesen der Welt. Es packte die Sonne und warf sie in den Himmel hinauf.

Seitdem zieht sie dort ihre Bahn, und der Schrecken ihrer Hitze hat sich in lebensspendendes Licht verwandelt. Seitdem, erzählen die Buschmänner, ist das südliche Afrika das Land des tiefblauen Himmels und ewigen Sonnenscheins.

Geschichte

Die auch San genannten Buschmänner sind die Ureinwohner Südafrikas und nach Ansicht von Anthropologen die älteste noch lebende Spezies des Homo sapiens. An ihnen kann man studieren, wie die Menschheit vor 10 000 Jahren lebte.

Die Buschmänner waren Wildbeuter. Ihr Leben mit der Natur und ihren Ressourcen ohne festen Wohnsitz und ohne Besitzdenken, wurde von den Jahreszeiten wie von der Wanderung der Tiere bestimmt. Es war denkbar einfach: jeder besaß nur so viel, wie er tragen und essen konnte.

Nur wenige Buschmänner haben die Begegnung mit der ,,Moderne" überlebt:

Vor 2000 Jahren wurden sie von den Hottentotten (Khoikhoi) verjagt, später von schwarzen Völkern wie Zulu und Xhosa sowie von eingewanderten Europäern. Im Laufe der Jahrhunderte wurden sie so stark dezimiert, dass nur noch kleine Restgruppen in der Kalahari überleben. Schätzungen zufolge gibt es im südlichen Afrika gerade noch einige zehntausend Buschmänner.

Jagen und Tanzen

Wenn der Nahrungsbedarf der Gruppe es erforderte, gingen die Buschmänner auf die Jagd. Sie waren ,,Weltmeister" im Umgang mit Pfeil und Bogen. Als Präparierung für ihre Pfeile verwendeten sie ein Nervengift, das die Tiere nach wenigen Kilometern so erschlaffen ließ, dass jeder kill mühelos gelang. Außerdem benutzten sie Tierfallen.

Vor dem Beginn eines Festmahls versammelte sich die Gruppe, um sich singend und tanzend in eine Art von Trance zu versetzen. Im Tanzen trat der Buschmann in religiöse Verbindung zu seinem ,,Supreme Being" – dem Höchsten Wesen- auch um innere psychische Spannungen aufzulösen. Das atonale Singen der Buschmänner war einzigartig.

Essen und Trinken

Während der Mann auf die Jagd ging, sammelten die Frauen Wurzeln, Blätter, Beeren und andere Früchte. Besonders die Tsamas (Melonen) standen wegen ihres großen Wassergehalts hoch im Kurs. Auch Honig war für den ,,süßen Zahn" sehr begehrt. Daneben bereicherten auch Käfer, Würmer, Ameisen, Heuschrecken, Eidechsen und Schlangen den Speiseplan. Buschmänner hatten gelernt, mit sehr geringen Wasservorräten umzugehen. Gewonnenes Wasser wurde in leeren Straußeneiern gespeichert und im Boden vergraben.

Die Essensgewohnheiten der Buschmänner glichen beinahe denen eines Löwen. Aus Namibia wird die Geschichte einer Familie erzählt, die eine Elenantilope nach erfolgreicher Jagd bis zum letzten Bissen verspeiste – stolze 25 kg Fleisch pro Person! Buschmänner haben einen Magen wie eine Riesenschlange. Sie verdauen hundertprozentig und speichern Fett in dem für sie so typischen, unübersehbar markanten Gesäß. Ihre faltige Haut ist ein Ergebnis dieser Vorratswirtschaft: Wenn die ,,Batterien" leer sind, fällt der kleine Körper der Buschmänner regelrecht zusammen. Buschmänner werden nicht größer als 1,5 Meter.

Die Buschmänner sollen eine Wurzel gekaut haben, durch die das Ausschwitzen des Körpers erheblich gebremst wurde. Selbst die ,,Pille" mussten sie nicht erfinden: Das Kauen einer speziellen Borkenrinde wirkte empfängnisverhütend- wie sicher das allerdings war, lässt sich heute nicht mehr feststellen.

Echte Ökologen

Buschmänner lebten in Unterkünften (Windschirmen) aus Zweigen, feste Behausungen waren ihnen unbekannt. Soweit sie Kleidung benötigten, nutzten sie Felle. Mit Recht kann man diese Menschen Ökologen nennen: Sie entnahmen der Natur nie mehr, als sie zum Lebensunterhalt brauchten. Nach ihrem schlichten Denken gehört die Natur allen Menschen. Nach ihrer Überzeugung war der Mensch ein „Gesellschaftstier"; Gemeinschaft erachteten sie als das höchste irdische Glück.

Die Buschmänner, die sich selbst aus der Natur versorgten und nur gelegentlich mit ihren Nachbarn tauschten, vermochten sich nicht auf moderne Wirtschaftsmethoden umzustellen. Im Laufe der Jahrhunderte verloren sie ihre Lebensgrundlage; ihr Stolz und ihre Identität wurden ihnen geraubt. Manche wurden zu Alkoholikern, andere vermischten sich mit Hottentotten und Angehörigen der schwarzen Völker.

Felsmalerei

Die Felsmalerei in Südafrika bietet Zeugnisse vom Leben dieses künstlerisch sehr talentierten Volkes. Szenen der Jagd und des alltäglichen Lebens sind so abstrakt dargestellt, wie man es erst bei Picasso im 20. Jahrhundert wieder findet. Felsmalerei kann man an Felsüberhängen und in Höhlen, z. B. in den Drakensbergen, den Soutpansbergen und den Cedarbergen betrachten. Die ältesten Darstellungen sind rund 26000 Jahre alt. Ähnlichkeiten mit europäischer Felsmalerei und minoischer Tempelkunst auf Kreta sind unverkennbar.

Klick-Sprache

Die Klick- und Schnalzlaute der Khoisansprachen (Buschmänner und Hottentotten) wurden zum Teil in die Bantu-Sprachen Xhosa und Zulu aufgenommen. Will man sie hören, sollte man Miriam Makeba und ihren Klick-Liedern lauschen. Wohl keine Kultur ist so gut im Geschichtenerzählen wie die der Buschmänner. In Mimik wie in Gestik können die Buschmänner dabei hervorragend Tiere imitieren.